Geleitwort der Präsidentin
Geleitwort von Nayla Hayek, Präsidentin des Swatch Group Verwaltungsrats anlässlich der 2015 ordentlichen Generalversammlung der Swatch Group Aktionäre vom 28. Mai 2015 im Velodrome, Neumattstrasse 25, Grenchen, Schweiz.
Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitaktionärinnen und Mitaktionäre,
Baustelle – oft wird das Wort verwendet um aufzuzeigen, wo es noch Probleme zu meistern gibt. Ich möchte es im Swatch Group Sinn verwenden – Bauen, Neues schaffen, Erweitern, Verbessern, Zupacken. Luxus und rote Teppiche sind nur möglich, wenn eine solide Basis besteht. Ein Fundament, ohne das ein Aufbau gar nicht möglich ist. Wir haben bei Swatch Group, hier in der Schweiz, zahlreiche Baustellen. Und wir sind stolz darauf! Jeden Tag stehen Hunderte von Füssen in Gummistiefeln im Schlamm auf unseren Baustellen. Hunderte und Aberhunderte Hände packen an, mischen Beton, bedienen Bagger und Krane, fräsen, schleifen, schreinern, verputzen, malen … Oder bauen Heizungen, sanitäre Anlagen ein, ziehen Stromleitungen, installieren Maschinen. Es sind viele zusätzliche Arbeitsplätze, die Swatch Group nebst jenen 2100 Stellen (davon 770 in der Schweiz), die wir in unserem Unternehmen im Jahr 2014 erschaffen haben, unterhält. Hier in der Schweiz, weil wir hier produzieren, hier Fabriken bauen, umbauen, modernisieren und erweitern. Weil wir auch in Zukunft hier in der Schweiz wohnen und produzieren wollen. Für Sie, für uns, für die Industrie, für die Region und damit für die Schweiz. Weil «ins Ausland auslagern» für uns ein Unwort ist.
Sie erinnern sich – im Jahr 2013 haben wir in Grenchen (SO), Villeret (BE) und Boncourt (JU) grosse Produktionsstätten fertiggestellt. Letztes Jahr bauten wir in Saint-Imier (BE), Lengnau (BE), Le Locle (NE), Fontaines (NE), Le Col-des-Roches (Le Locle) und schliesslich auch in Biel (BE).
Wenn es Sie nun in den Fingern juckt und die Versuchung gross ist, selbst eine Fabrik zu bauen… Mit Swatch Group ist auch das keine grosse Sache. Wir sind die Meister der Miniaturisierung und haben die Bausteine minuziös verkleinert. Sehen Sie selbst und bauen Sie ihre eigene Swatch Group Fabrik! Sie brauchen dazu nicht einmal Gummistiefel, nur unseren beigelegten Ausschneidebogen, den sie alle im Geschäftsbericht erhalten haben.
Die Produktion in der Schweiz zu behalten und profitabel zu bleiben, heisst aber auch, bei der Qualität und in der Entwicklung die Nase vorn zu haben. Ohne erstklassige Produkte und Spitzenkräfte geht dies nicht. Deswegen investieren wir nebst der Infrastruktur auch in die Forschung, setzen uns auseinander mit leistungsstarken Chips, mit neuartigen Batterien, Touch Screens, Solar Panels, antimagnetischen und anderen Materialen, ergründen, erforschen, durchleuchten und erfinden. Ja, natürlich auch das. Wir haben im Jahr 2014 im Schnitt jeden zweiten Tag ein neues Patent angemeldet.
Und was die Spitzenkräfte angeht – wir investieren seit jeher auch in die Ausbildung. Swatch Group Mitarbeitende haben bei uns eine Perspektive – wir bilden mehrere Hundert Lernende aus und bieten ihnen danach einen festen Arbeitsplatz, junge und alte Berufsleute bilden sich weiter oder spezialisieren sich. Wir investieren auch sehr viel in den Erhalt alter Berufe, die für die Uhrenindustrie wichtig sind. Blancpain und Jaquet Droz sind hier federführend.
So stärken wir die Industrie in unserem Land. So bilden wir eine Zukunft für unsere jetzigen und künftigen Mitarbeitenden. Goethe hat es auf den Punkt gebracht: «Erfolg hat drei Buchstaben: TUN». Und «tun» heisst, zum Beispiel, auch wenn es regnet und alles im Schlamm steht, Stiefel anziehen und zupacken. Noch ein letztes Wort zur Ausbildung: Die Hans Huber Stiftung hat unser Tun im Bereich Berufsbildung im November 2014 mit ihrem nationalen Anerkennungspreis geehrt. In der Laudatio wurde Swatch Group als «grösste Berufsbildnerin der Uhrenindustrie und Vorzeigebeispiel» gepriesen. Die Berufsbildung bei Swatch Group sei praktisch, vernünftig, kreativ und frei von jedem Statusdenken. Wir freuen uns über diese Anerkennung.
Apropos Anerkennung – an dieser Stelle möchte ich auch wieder einmal erwähnen, dass es mich freut, dass wir offensichtlich immer noch eines der grössten börsenkotierten „Familienunternehmen“ in der Schweiz sind. Und dass wir uns vor allem die Seele eines Familienbetriebes bewahrt haben – auch dank Ihnen allen, die Sie uns jedes Jahr mit Ihrer Präsenz von Neuem ermutigen und uns die Treue halten. Merci vielmal! Wir bekommen Briefe von Ihnen mit viel Positivem. Ich danke Ihnen dafür. Ja, die Swatch Group ist eine Perle, wie mein Vater einmal sagte, und wie ein Aktionär unsere Gruppe kürzlich auch genannt hatte.
Ich hatte mir vorgenommen, dieses Mal eine kurze Rede zu halten. Ja, kürzer als sonst, weil die neuen Regelungen uns dieses Jahr dazu zwingen, so viele Abstimmungen abzuhalten, dass uns am Ende allen der Kopf schwirren wird.
Selbstverständlich hält sich Swatch Group an alle Regeln und wird deshalb auch diese Generalversammlung regelkonform hinter sich bringen, mit Ihrer aller Hilfe! Deshalb, und um Ihre Zeit nicht über Gebühr zu strapazieren, wollte ich mich kurz halten. Trotzdem ist es auch meine Pflicht, Ihnen allen einen Rückblick auf das vergangene Jahr zu geben.
Kommen wir also zu unseren Zahlen 2014: Auch in diesem Jahr haben wir einen Rekordumsatz erzielt – eine Meisterleistung in dieser beschwerlichen Situation! Im Vergleich mit 2013 wächst der Bruttoumsatz um 4,6 % auf 9.219 Milliarden Schweizer Franken. Auch im Gewinn hat die Swatch Group wieder ausserordentlich gut gearbeitet, auch wenn er tiefer liegt als im Vorjahr, was vor allem auf die Tiffany Kompensation zurückzuführen ist. Und doch, ein Konzerngewinn von 1.416 Milliarden Schweizer Franken (und eine Nettoumsatzrendite von 16,3 % des Nettoumsatzes von 8.709 Milliarden Schweizer Franken) bzw. ein Betriebsgewinn von 1.752 Milliarden Schweizer Franken mit einer operativen Marge von 20,1 % ist für ein Industrieunternehmen in diesem schwierigen Umfeld bemerkenswert.
Wenn ich sage schwieriges Umfeld – wissen Sie, etwas beschäftigt mich wirklich. Wir haben in all den Jahren immer wieder Kursschwankungen erlebt und geschluckt. Früher war es die Lira oder der Franc français, dann war es mal der Yen, der Dollar, mal ein bisschen alles. Wir haben alles gemeistert und das Beste daraus gemacht. Aber wenn die eigene Nationalbank vor lauter Mutlosigkeit den Schweizer Werkplatz im Stich lässt, dann schmerzt das.
Ich möchte Ihnen dazu einen Auszug der GV Rede meines Vaters von vor 20 Jahren, 1995, vorlesen:
„Und sie bewegt sich doch....“ sagte im 16./17. Jahrhundert Galileo Galilei. Er wiederholte und wiederholte immer wieder, dass die Erde rund sei und sich bewege. Die Inquisition verbot ihm damals unter Folterandrohung, dies weiterhin zu behaupten. Ich bin weit davon entfernt, mich mit Galileo Galilei vergleichen zu wollen, und unsere Regierung, das Finanzestablishment und einige Wirtschaftsjournalisten zählen fürwahr zu den liberalsten, demokratischsten der Welt. Deshalb wage ich hier und heute, deutsch und deutlich und ohne Gefahr zu wiederholen, dass der Schweizerfranken stark überbewertet ist! Er nimmt mehr und mehr den Charakter einer Fluchtwährung an, oder einer „sicheren Hafen“-Währung, wenn Sie es lieber so ausdrücken wollen. Diese Botschaft des Schweizerfrankens schadet mittel- und langfristig der grossen Mehrheit der Schweizer Wirtschaft, das heisst mit der Zeit jedem von uns - Ihnen auch.“
Zurück zu den Zahlen des Jahres 2014: Genau so stark wie in der Vergangenheit bleiben wir beim Eigenkapital: 10.674 Milliarden Schweizer Franken bzw. 83,7 % der Bilanzsumme – wie viele Unternehmen kennen Sie mit einer solchen Eigenkapitalquote?
Aufgrund der guten Ergebnisse 2014 und unserer positiven Einschätzung für das Jahr 2015 schlägt der Swatch Group Verwaltungsrat der Generalversammlung vom 28. Mai 2015 die gleiche Dividende vor wie nach dem Rekordjahr 2013: CHF 7.50 pro Inhaberaktie und CHF 1.50 pro Namenaktie.
Zu den Highlights des Jahres 2014 zählt nebst unseren zahlreichen Baustellen der Kauf Ende November des Peterhofs an der Bahnhofstrasse in Zürich. Er gehört zu den prägendsten Gebäuden der berühmten Einkaufsstrasse. Mit seinem unverkennbaren, neugotischen Stil ist das historische Haus auch eines der schönsten in Zürich und bleibt dank Swatch Group in schweizerischem Besitz. Wie Sie sich sicher alle vorstellen können, haben wir schon gewisse Ideen, was wir in diesem Gebäude alles machen können.
Es ist uns immer auch ein Anliegen, nicht nur die kommerziellen Aspekte zu sehen. Deshalb setzen unsere Uhrenmarken auch immer besondere Akzente zum Schutz der Umwelt. So setzt Blancpain sich für den Erhalt des Meeresgrundes ein und vertiefte ihr Engagement für die Ozeane mit der Lancierung ihrer neuen Kampagne Blancpain Ocean Commitment.
Auch die Kunst, die immateriellen Werte, die unsere Welt noch lebenswerter machen, kommen nicht zu kurz. Breguet, Jaquet Droz und Glashütte Original vertreten mit ihren Engagements in dieser Domäne den eher klassischen Ansatz. So waren wir zum Beispiel mit Breguet in Paris, wo die Marke ihre Passion für das Kulturerbe unterstrich und ihre Partnerschaft mit dem angesehenen Louvre in Paris im letzten Dezember verstärkte. Swatch unterstützt mehr den zeitgenössischen Aspekt der Kunst: Im Herbst haben wir mit Swatch auf dem Bund in Shanghai gejodelt – ja, wirklich! Vor allem aber haben im Swatch Art Peace Hotel jedes Jahr rund 50 zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstler die Gelegenheit, sich zu entfalten und die Dinge mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Es gibt noch so unendlich viel mehr über die Unternehmen der Swatch Group zu berichten. Gehen Sie auf Entdeckungsreise im Geschäftsbericht 2014!
Das Motto «tue Gutes und sprich darüber» liegt mir weniger. Es ist mir jedoch heute ein besonderes Anliegen, dies mit Ihnen zu teilen. Vielleicht, weil die Diskussionen der letzten Monate sich immer nur um Währungen, Gewinnrückgänge, Aktienkurse oder gar ganz trivial, um immer noch smartere Dinge drehten.
Wir sind uns unserer sozialen Verantwortung nicht nur im Zusammenhang mit dem Werkplatz Schweiz bewusst. Jedes Jahr hilft Swatch Group vielen Menschen in Not. Den Menschen auf den Philippinen, die alles verloren haben, den Kindern im Gazastreifen, den Kindern, deren Augenlicht dank Orbis International und Omega gerettet werden kann, unzähligen psychisch kranken Menschen, die dank Harry Winston Unterstützung erhalten. Über unsere Marken unterstützen wir auch verschiedene Forschungsprogramme zur Bekämpfung von Krankheiten insbesondere in der Pädiatrie. Wir unterstützen mehrere Organisationen, die sich zum Ziel gesetzt haben, Kindern zu helfen: So zum Beispiel Kinder, die unter schwierigen Bedingungen aufwachsen; kranke Kinder; Kinder, die Opfer von Gewalt wurden oder Kinder, die unter nachteiligen Wirtschaftsbedingungen leben. Dank diesen Organisationen erhalten Kinder zum Beispiel in Brasilien, in den USA, in Japan, in China eine Chance auf eine bessere Zukunft.
Das erfüllt mich mit Dankbarkeit, liebe Aktionärinnen und Aktionäre. Ich bin dankbar, dass wir, Sie mit uns allen, ein kleines Bisschen auch an Hilflose und Bedürftige weitergeben können.
Zum Schluss möchte ich Ihnen nochmals ein Zitat meines Vaters mitgeben. Letzthin fiel mir seine Rede aus dem Jahr 1997 vor dem Vorort, der heutigen Economiesuisse, wieder in die Hände. Vor rund 18 Jahren also hörten wir ihn sagen:
«Es ist auch eminent wichtig, dass wir der Jugend die Erkenntnis vermitteln, dass echte, dauerhafte Reichtümer nur zu kreieren sind, wenn sie neue Produkte, neue Fabriken, neue Firmen, neuen Mehrwert in Arbeitsplätzen schaffen, und nicht durch Finanzspekulationen. Echter Mehrwert wird sich sowieso früher oder später in höheren Aktienkursen niederschlagen. …“»
Eine kurze Zwischenbemerkung: Im Jahr 1997 betrug der bereinigte Aktienkurs der Inhaberaktie notabene knapp 100 Franken (letztes Jahr betrug der Tiefstkurs 417 Franken und 10 Rappen)! Die Namenaktien war 1997 knapp 23 Franken wert, letztes Jahr betrug ihr Tiefstkurs 75 Franken und 35 Rappen!
Zurück zum Zitat: «… es ist ebenfalls enorm wichtig, dass wir diese Gesellschaft auch kritisch betrachten und damit ihre teilweise erschlaffende Mentalität und Geisteshaltung ständig neu in Frage stellen! Gegen den Strom zu schwimmen, wenn dieser in die falsche Richtung läuft, braucht Mut, Kraft und Ausdauer, moralische Überzeugung...»
Mut, Kraft und Ausdauer, moralische Überzeugung, meine Damen und Herren, zeichnen diese Gruppe seit jeher aus. Wir werden auch in Zukunft diesen Gedanken weiterleben, Sie und ich, wir alle.
Mein Dank geht heute ganz besonders an den Verwaltungsrat, die Konzernleitung und die erweiterte Konzernleitung, an all unsere 35 500 Kolleginnen und Kollegen in der Schweiz und in der ganzen Welt. Sie alle machen Swatch Group jeden Tag zu einem Unternehmen, das sich bewegt, das lebt und in dem das Wort Baustelle einen magischen Beiklang hat. Und schliesslich danke ich nochmals ganz besonders Ihnen, liebe Aktionärinnen und Aktionäre, die uns treu sind und uns die Stange halten.
Merci vielmal!
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