DIE UNGLAUBLICHE RESTAURIERUNG EINER ECHTEN PENDELUHR VON JAQUET DROZ

DIE UNGLAUBLICHE RESTAURIERUNG EINER ECHTEN  PENDELUHR VON JAQUET DROZ

Sie hat die Jahrhunderte überdauert, ihre eigene Legende erschaffen, den Wünschen der Herrscher gehorcht, um schließlich fast wie durch Zufall an ihre Geburtsstätte zurückzukehren. Die Singvogel-Pendeluhr „Pendule à Oiseau Chantant“ von Jaquet Droz ist ein herausragendes Abenteuer der Uhrengeschichte.

Es handelt sich um eine der geheimnisvollsten und abenteuerlichsten Begebenheiten der vergangenen Jahre – eine Geschichte, die die Jahrhunderte und die Imperien überdauert hat, eine Geschichte, wie wohl nur Jaquet Droz sie erzählen kann. Am Anfang stand das meisterhafte Können eines Mannes: Pierre Jaquet-Droz (1721 – 1790). Der Uhrmacher aus La Chaux-de-Fonds gilt heute als vollendeter Uhrmachermeister, der von der ausgeklügeltsten Taschenuhr bis zu den Automaten, deren leidenschaftlicher Pionier er war, alles beherrschte. 

Die Singvogelautomaten waren eine seiner zahlreichen Spezialitäten. Im Mittelpunkt dieser animierten Kreationen stand stets ein Vogel, häufig in Lebensgröße, der in einem reich verzierten Käfig verschiedene Melodien anstimmen konnte. Bei diesen Vögeln handelte es sich, entsprechend der Mode des 18. und 19. Jahrhunderts, oftmals um Girlitze. Von ihrer französischen Bezeichnung „serin“ stammt auch der Name der Kreationen „Serinettes“. 

Eine von ihnen tauchte geheimnisvollerweise 1983 im Musée du Locle wieder auf. An ihrer Echtheit besteht kein Zweifel: Sie trägt die handschriftliche Signatur des Meisters „P Jaquet Droz A La Chaux de Fonds“. Woher stammte sie? Von einem englischen Sammler, der sie dem Museum überließ. Leider gibt es abgesehen davon seit 1917 – d. h. dem Jahr, in dem ein Antiquitätenhändler aus Luzern sie zum Verkauf anbot – keine weitere Spur. Noch früher bescherte ihr eine ganz besondere Bezeichnung ein wahrhaft herrschaftliches Schicksal: „Empire-Pendeluhr (...), Geschenk von Napoleon I. an eine württembergische Prinzessin“. 

Anlässlich ihres 280-jährigen Jubiläums unterstützten die Montres Jaquet Droz die von dem Verein „Automates & Merveilles“ bei einem hochspezialisierten Experten-Team in Auftrag gegebene Restaurierung und Datierung dieser mysteriösen Pendeluhr. Diese genaue Untersuchung, die mehrere Monate in Anspruch nahm, lüftete mehr als nur ein Geheimnis – zunächst einmal die präzise Funktionsweise des Automaten. Es handelt sich um einen Antrieb mit Doppelschnecke und -kette, (jeweils 1,80 Meter), dessen hintere Platine den Schriftzug „P. Jaquet Droz A La Chaux de Fonds“ trägt. Das Uhrwerk verfügt seinerseits über eine Hemmung mit Steigrad und schlägt die Stunden und die Viertel auf zwei Glocken. Der Singvogel befindet sich in dem Käfig oberhalb des Gehäuses. Er spielt sechs unterschiedliche Melodien auf zehn Pfeifen. Während die Melodie erklingt, dreht sich der Vogel um sich selbst, öffnet dabei den Schnabel, bewegt die Federn und, was bei dieser Art der Automaten eine Seltenheit ist, plustert die Kehle auf. 

Es heißt, Napoleon habe dieses spezielle Uhrwerk in ein Empire-Gehäuse einpassen lassen, um es Katharina von Württemberg, der zukünftigen Gattin des Bruders des berühmten Herrschers – Jérôme Bonaparte – als Hochzeitsgeschenk zu verehren. 

Neben dem Ausnahmetalent von Pierre Jaquet-Droz kam bei der Fertigung dieses Automaten eine ganze Schar hochspezialisierter Handwerkskünstler zum Einsatz, denn nur sie waren imstande, das Uhrwerk, die Musik und die Automaten zu entwickeln, zu fertigen, zu koordinieren und anzupassen. In diesem Sinne ist die „Pendule à Oiseau Chantant“ ein wunderbares Zeugnis des großen Jahrhunderts der Uhrmacherkunst, zu dem die Familie Jaquet-Droz einen ganz beträchtlichen Beitrag geleistet hat – nicht nur als Uhrmacher, sondern auch als Unternehmer. Gleichzeitig zeugt sie von der seinerzeit weit verbreiteten Faszination für die Natur. 

Dank der nun abgeschlossenen Restaurierung konnte diesem Uhrwerk, diesem Vogel, diesen Bronzeverzierungen und diesem Gehäuse neues Leben eingehaucht werden. Die Datierung durch die Methode der Dendrochronologie des inneren Gehäuses bestätigt, dass letzteres aus Fichte besteht, die um 1754 geschlagen wurde. Dies stimmt auch perfekt mit der Aktivität von Pierre Jaquet-Droz überein. Das Akaziengehäuse wurde somit auf dieser ersten und ursprünglichen Basis aufgebaut. Die Bronzeverzierungen mit Inspirationen aus dem Consulat-Stil mit ägyptischen Motiven, Sternen, Palmetten und Fusarolen zeigen, dass die Pendeluhr mehrere Leben hatte: Ihre illustren Besitzer ließen Änderungen an dem Gehäuse vornehmen, um es an die jeweiligen Moden und Vorlieben anzupassen.  

Die Pendeluhr mit Singvogel ist vom 26. Juni bis zum 26. August in der Sonderausstellung „Rêve en trois temps“ des Musée international d’Horlogerie in La Chaux-de-Fond bzw. vom 4. September bis zum 28. Oktober im Musée d’Art et d’Histoire in Neuchâtel zu sehen, bevor sie Anfang November in die Sammlung des Musée d’Horlogerie du Locle – Château des Monts – zurückkehren wird.
Die im Musée d’Horlogerie du Locle verwahrte Uhr wurde komplett restauriert. Dabei wurden weder ihre Funktionen noch ihre Komponenten verändert. In Gang gesetzt wird sie nur ausnahmsweise und unter strengster Aufsicht, damit sie noch viele Jahre fortbestehen kann. Anlässlich des 280-jährigen Jubiläums ist dieser kostbare Girlitz die wohl schönste Hommage, die Jaquet Droz seiner illustren Vergangenheit erweisen konnte. 

 

„Some watches tell time, some tell a story“

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